
DGU-Kongress - Symposium: „Faktencheck: Therapieaspekte von unkomplizierten Zystitiden“
Vom 20. bis 23. September fand zum 75. Mal der Kongress der DGU – Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. – statt. Wir freuen uns, dass wir als Firma Bionorica mit einem Stand in der Industrieausstellung und dem Sponsoring eines wissenschaftlichen Symposium Teil des Ganzen waren. Unter der Begrüßung von Prof. Naber wurden verschiedene Aspekte der Therapie von Zystitiden beleuchtet.
Erster Vortrag: Prof. Gessner von der Universität Regensburg bewertete im ersten Vortrag den „Safety First-Gedanken“ in der Therapie der Blasenentzündung und den Einsatz von Antibiotika aus Sicht des Antibiotic Stewardship und der Mikrobiomforschung.
Der Faktencheck: Die steigenden Resistenzen, die von der WHO beobachtet werden, stellen eine dramatische Entwicklung dar und erfordern alternative Therapieoptionen. Die Anzahl der Todesfälle durch resistente Bakterienstämme ist weltweit seit 2007 um den Faktor 2,46 gestiegen und es zeichnet sich ab, dass bis zum Jahr 2050 über 10 Millionen Todesfälle jährlich mit antimikrobiellen Resistenzen verbunden sind.
Die Rationale: Trotz der essentiellen Bedeutung dieser Wirkstoffe bei der Therapie schwerwiegender bakterieller Infektionen, gibt es weitere Gründe, vorsichtig mit Antibiotika umzugehen. Sie können vielfältige Nebenwirkungen wie Einschränkung der Nierenfunktion, gastrointestinale Beschwerden, akute allergische Reaktionen, Interaktionen mit anderen Medikamenten und Beeinflussung der Mikrobiota mit unerwünschten Langzeitfolgen haben. Das komplexe Zusammenspiel im Mikrobiom ist an verschiedenen Erkrankungen beteiligt, da es starke Wechselwirkungen zwischen den Organismen im Mikrobiom und unseren Körperzellen gibt.
Ein vorsichtiger Umgang mit Antibiotika ist erforderlich, wie es auch in der aktuellen Leitlinie zur unkomplizierten Harnwegsinfektion empfohlen wird. Der „Safety First-Gedanke“ ist nicht mehr zutreffend, im Gegenteil, höhere Rezidivraten wurden nach Antibiotikagabe beobachtet. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass bei Dysbiosen der Austausch zwischen den Kolonisationsorten größer ist. Ein intaktes Mikrobiom wiederum bietet eher Schutz.
Für die Praxis: Es ist wichtig und wünschenswert, dass die aktuellen Zahlen zu den Konsequenzen für die Resistenzentwicklung wachrütteln und auch die neue Erkenntnisse zum Mikrobiom auf die Entscheidung in der täglichen Praxis Einfluss nehmen. Die Kommunikation zwischen Patienten und Ärzten ist von großer Bedeutung. Die evidenzbasierte Phytotherapie kann als Firstline-Behandlung eine wichtige Rolle spielen.
Mehr zum Thema Mikrobiomforschung finden Sie in unserer Podcast-Reihe mit Prof. Gessner:
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Zweiter Vortrag: Frau Privatdozentin Dr. Kranz von der Uniklinik RWTH Aachen präsentierte in ihrem Vortrag ein Update zur Therapie der akuten, unkomplizierten Zystitis aus der aktualisierten Leitlinie zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Hierbei wurden aktuelle Empfehlungen und Behandlungsstrategien diskutiert.
Der Faktencheck: Die AWMF S3-Leitlinie zu unkomplizierten Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen hat sehr hohe Zugriffsraten und ist unter den am häufigsten aufgerufenen Leitlinien auf Platz 1. Dies zeigt die hohe Relevanz der Thematik. Die 2022 begonnene Überarbeitung ist nahezu abgeschlossen und mit einer Veröffentlichung der Daten ist voraussichtlich Ende des Jahres zu rechnen. Bei der Überarbeitung der Leitlinie wurden erstmals weitere Verbände und Fachgesellschaften wie z.B. die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG), die Gesellschaft für Phytotherapie e. V. (GPT) und die Deutsche Gesellschaft für Naturheilkunde e. V. (DGNHK) einbezogen. Dies ermöglichte eine breitere Perspektive auf die Therapie der akuten, unkomplizierten Zystitis und trug zu einer umfassenderen und praxisorientierteren Gestaltung der Leitlinie bei.
Die Rationale: In der Praxis ist es wichtig, zwischen unkomplizierten und komplizierten Harnwegsinfektionen zu unterscheiden. Die Diagnose einer Harnwegsinfektion und Indikation zur Antibiotikatherapie sollten besonders kritisch hinterfragt werden. Es ist wichtig, „Red Flags“ wie Fieber, Klopfschmerz im Nierenbereich und reduzierten Allgemeinzustand zu beachten und dem Patienten transparent zu erklären, welche Konsequenzen sich durch die verschiedenen Therapieoptionen ergeben. Die Spontanheilungsrate bei unkomplizierten Zystitiden ist hoch, daher ist das Ziel der Therapie die Symptomreduktion. In der aktualisierten Leitlinie gibt es einige Neuerungen. Bei nicht-geriatrischen Patienten sollte die alleinige nicht-antibiotische Therapie als Alternative zur antibiotischen Behandlung erwogen werden. Eine partizipative Entscheidungsfindung mit den Patienten ist notwendig. Bisher war die Empfehlung zu Alternativen in der Leitlinie eine „Kann“-Empfehlung, aber aufgrund neuer Evidenz wird sie nun als "Sollte“-Empfehlung mit einem höheren Empfehlungsgrad eingestuft.
Für die Praxis: Um die Erklärungsansätze für Patienten zu verbessern, wird es eine separate Patientenleitlinie geben. Dies ist ein wichtiger Schritt, um eine bessere Kommunikation und das Verständnis zwischen Arzt und Patient zu ermöglichen.
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Dritter Vortrag: Prof. Wagenlehner von der Universität Giessen sprach abschließend über die Bedeutung der evidenzbasierten Phytotherapie.
Der Faktencheck: Eingeleitet wurde der Vortrag durch eine Fallvorstellung: Eine ansonsten gesunde 35-jährige Frau stellt sich mit Harndrang, Dysurie und Drangbeschwerden vor. Oberflächlich betrachtet vermittelt diese Patientin das Bild einer unkomplizierten Zystitis.
Allerdings hat sie während einer Indien-Reise ein Fluorchinolon-Antibiotikum gegen Durchfall erhalten. Besteht nun ein erhöhtes Risiko, resistente Bakterien zu entwickeln?
Die Antwort von Prof. Wagenlehner hierzu ist klar: „Ja, solche Patienten haben ein deutlich höheres Risiko, ein resistentes Mikrobiom in der Stuhlprobe zu entwickeln“. Breitband-Antibiotika haben hierbei die höchste Rate an Kollateralschäden.
Die Rationale: Ist die Phytotherapie also eine alternative Behandlungsoption bei der akuten, unkomplizierten Zystitis?
In der CanUTI-7 Studie wurde die Nicht-Unterlegenheit von BNO 1045 (Canephron®) im Vergleich zu Fosfomycin Trometamol hinsichtlich des Bedarfs einer zusätzlichen Antibiotikagabe gezeigt. BNO 1045 erreichte die Nicht-Unterlegenheitsgrenze (-15%). Der Symptomscore wurde mit dem ACSS-Fragebogen gemessen, der auch zu Diagnosezwecken verwendet werden kann. Es wurde eine Reduktion der Symptome und gleichzeitig eine Verbesserung der Lebensqualität festgestellt. Die Verträglichkeit in beiden Behandlungsgruppen war ähnlich. Die Rate der gastrointestinalen Beschwerden war unter Fosfomycin etwas höher als unter BNO 1045 (6,6% vs. 4,0%). Die Pyelonephritisrate war im Phytotherapie-Arm etwas höher als unter Antibiotikum (1,5% vs. 0,3%; Wagenlehner et al.; https://doi.org/10.1159/000493368). Eine aktuelle Metaanalyse beschäftigte sich ebenfalls mit Antibiotika-sparenden Strategien bei unkomplizierter Zystitis (Kaußner et al.; https://doi.org/10.1016/j.cmi.2022.06.017), was zeigt, dass dieses Thema die Fachwelt bewegt.
Für die Praxis: Es ist relevant, dass Alternativen zur antimikrobiellen Therapie bekannt werden und Hürden des zögerlichen Einsatzes überwunden werden. Für ausführliche Gespräche fehlt oft die Zeit, die jedoch investiert werden sollte („Kollateralschäden“). Das Ziel muss sein Antibiotika-Verordnungen reduzieren. Und hierbei gilt: Jede Nicht-Verordnung zählt.
Möchten Sie in aller Kürze mehr zur klinischen Vergleichsstudie von Canephron® und Fosfomycin erfahren?
Dieses Symposium bot eine einzigartige Gelegenheit, sich über neue Erkenntnisse und Entwicklungen in der Therapie von unkomplizierten Zystitiden zu informieren und praxisrelevantes Wissen mitzunehmen. Die Teilnehmer hatten die Chance, von renommierten Experten zu lernen und mit Kollegen aus der Fachwelt zu diskutieren.