Aufbau der Harnwege
Aktualisiert am 26.01.2024

Unser Harnsystem: Aufbau der Harnwege

Autoren: , Fachärztin für Urologie & 

Um zu verstehen, warum manche Mediziner bei einer Blasenentzündung (Zystitis) auch von einem Harnwegsinfekt sprechen, hilft ein Blick auf Anatomie und Funktionen unseres Harnsystems.

Was gehört eigentlich alles zu unseren Harnwegen? Welche Unterschiede gibt es im Harnwegssystem von Männern und Frauen? Was bedeutet unterer und oberer Harnwegsinfekt? Und wieso ist das weibliche Geschlecht prädestiniert für Blasenentzündungen?

Von den Nieren zur Harnröhre

Unser Harnsystem, auch Harntrakt genannt, dient sowohl der Bildung als auch der Sammlung und Ausscheidung des Harns. Zusammen mit den Geschlechtsorganen wird die Gesamtheit dieser Strukturen auch als Urogenitalsystem bezeichnet.

Der Harntrakt besteht aus den paarig angelegten Nieren und den ableitenden Harnwegen, zu denen Nierenbecken, Harnleiter, Harnblase und Harnröhre zählen.

Die ableitenden Harnwege sind allesamt sogenannte Hohlorgane. Ihre Muskulatur arbeitet eigenständig, lässt sich aber zum Teil auch willkürlich beeinflussen. Ausgekleidet sind die ableitenden Harnwege mit einem speziellen Gewebe, dem Urothel. Das Besondere an diesem Gewebe ist, dass es sich sehr gut ausdehnen und wieder zusammenziehen kann. Es ist somit in der Lage, sich problemlos verschiedenen Volumenschwankungen anzupassen.

Zu den ableitenden Harnwegen gehören demnach:

  • zwei Nierenbecken (Pelvis renalis)
  • die beiden Harnleiter (Ureteren)
  • die Harnblase (Vesica urinaria)
  • die Harnröhre (Urethra)

Aufbau der Nieren

Unsere beiden Nieren haben u. a. die Aufgabe, gelöste Stoffwechselabbauprodukte, Giftstoffe sowie Wasser aus unserem Blutkreislauf herauszufiltern. Das gesamte Blut des Menschen fließt dabei etwa dreihundert Mal am Tag durch die Nieren. Neben dieser reinigenden bzw. entgiftenden Funktion haben die Nieren zudem die Aufgabe, den Salz- und Wasserhaushalt in unserem Körper zu regulieren.

Der Harn, der dabei entsteht, wird dann über die Nierenbecken in die Harnleiter und die Blase weitergeleitet, um schließlich über die Harnröhre ausgeschieden zu werden.

Form wie eine „Kidney-Bohne“

Wissen Sie, woher der Name der dunkelroten Kidney-Bohnen stammt? Die Hülsenfrüchte wurden wegen ihrer optischen Ähnlichkeit in Form und Farbe tatsächlich nach unseren Nieren benannt (aus dem englischen: kidney = Niere). 

Die menschlichen Nieren haben nämlich eine bohnenartige Form und einen tief bräunlich-roten Farbton. Ihr Gewicht liegt jeweils zwischen 120 und 200 Gramm, wobei die linke Niere meist größer und schwerer ist als die rechte. Die Länge einer Niere beträgt etwa 10 bis 12 cm, die Breite etwa 5 bis 6 cm. Zu finden sind die Nieren ungefähr zwischen dem 12. Brustwirbel- und dem 3. Lendenwirbelkörper, und zwar auf beiden Seiten der hinteren Bauchwand.

Jede unserer Nieren besitzt einen unteren und einen oberen Pol, wobei auf letzterem jeweils noch eine Nebenniere sitzt. Anders als der Name vermuten lässt haben die Nebennieren funktionell jedoch nichts mit den Nieren selbst zu tun. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Bildung von Hormonen.

Kompliziertes, aber effektives Innenleben

Wenn man sich die Nieren im Längsschnitt anschaut, kann man deutlich eine äußere Rinden- und eine innere Markschicht erkennen. Der Feinbau der Nieren ist dagegen ein sehr ausgeklügeltes System aus unzähligen Sammel- und Abflussröhrchen in Kombination mit feinsten Blutgefäßen. Und genau über diese ganzen Kanälchen gelangt der gefilterte Harn schließlich ins Nierenbecken, aus dem dann der Harnleiter (Ureter) hervorgeht.

Der Ureter muss beim Austritt aus der Niere übrigens noch durch die sogenannte Nierenpforte. Dabei handelt es sich um eine Vertiefung in der Mitte der nach innen gekrümmten Seite einer jeden Niere. Durch sie verlaufen neben dem Harnleiter noch die großen Blut- und Lymphgefäße sowie die Nerven.

Harnleiter: weit mehr als ein starres Abflussrohr

Die ebenfalls paarig angelegten Harnleiter müssen nun dafür sorgen, dass der gefilterte Harn aus den Nieren in die Harnblase gelangt. Und zwar kontinuierlich. Von jeder Niere geht jeweils ein Harnleiter ab, der am Nierenbecken beginnt und am Ende von hinten in die Harnblase mündet.

Der Harnleiter – ein flexibler Schlauch

Die Harnleiter (Ureteren) haben eine Länge von etwa 25 bis 30 cm mit einem Durchmesser zwischen 4 und 7 mm. Es sind nicht einfach starre Abflussrohre, die den Urin von A nach B passieren lassen. Durch die wellenförmige Bewegung ihrer glatten Muskulatur sind die Harnleiter vielmehr in der Lage, den Urin portionsweise von den Nierenkelchen zur Blase zu transportieren – wenn nötig, auch entgegen der Schwerkraft.

Manchmal kann es eng werden

Entlang ihres Verlaufes kreuzen die Harnleiter dabei mehrere Strukturen und Gefäße. Im Bereich dieser Engstellen kann es unter Umständen dazu kommen, dass z. B. Nierensteine hängen bleiben, die dann den Abfluss behindern.

Die Harnleiter treten von hinten unten etwas seitlich in die Blase ein und verlaufen ein kurzes Stück innerhalb der Blasenwand. Wenn sich die Harnblase stärker füllt, knicken sie ab, so dass der Urin nicht zurückfließen kann. Außerdem drückt die Blasenmuskulatur die Harnleiter beim Urinieren zusammen, wodurch ein Rückfluss ebenfalls verhindert wird.

Muskulös und anpassungsfähig: die Harnblase

Die Harnblase befindet sich hinter dem Schambein im unteren Teil der Bauchhöhle. Dort liegt das muskuläre Hohlorgan gut geschützt im kleinen Becken. Bei Frauen sitzt die Harnblase direkt vor der Gebärmutter, bei Männern grenzt der hintere Teil an den Enddarm.

Dehnbar wie ein kleiner Ballon

Man kann sich die Harnblase wie einen von Muskelschichten umgebenen Ballon vorstellen, der sich je nach Urinmenge entweder ausdehnen oder zusammenziehen kann. Entsprechend dem Füllungsgrad kann die Form der Blase somit von kugelig bis zu birnenförmig variieren.

Bei Frauen fasst die Harnblase etwa 400 ml Urin, bei Männern kann sie über 600 ml Urin speichern. Je nach Körpergröße kann das Fassungsvermögen des Hohlorgans allerdings auch deutlich höher liegen. Einen Harndrang verspüren die meisten von uns aber bereits ab einer Füllmenge von 200 ml Harn.

Gliederung in vier Abschnitte

Bei beiden Geschlechtern liegt die Harnblase auf dem Beckenboden und die Harnröhre zieht durch den Beckenboden hindurch. In diesem Bereich befinden sich auch die beiden Schließmuskeln der Harnblase.

Anatomisch lassen sich bei der Harnblase folgende Abschnitte unterscheiden:

  • Blasenkörper: Er verschmälert sich nach oben hin zum Blasenscheitel bzw. zur Blasenspitze.
  • Blasengrund: Hierbei handelt es sich um den nach hinten ausladenden Anteil der Harnblase. In den Blasengrund münden von hinten seitlich die beiden Harnleiter.
  • Blasenhals: Dieser erstreckt sich nach vorn unten und geht letztendlich in die Harnröhre über.

Die grundsätzliche Funktion der Blase besteht darin, den kontinuierlich aus den Nieren abfließenden Harn zu sammeln, um ihn dann willentlich von Zeit zu Zeit über die Harnröhre auszuscheiden.

Die Harnröhre – Unterschied zwischen den Geschlechtern

Die an einen Schlauch erinnernde Urethra (Harnröhre) ist praktisch die Verlängerung des Blasenhalses. Im Bereich dieses Übergangs befindet sich auch das sogenannte Blasenzäpfchen, das die Harnblase gegenüber der Harnröhre abdichtet. Ein komplexer Verschlussmechanismus sorgt zusätzlich dafür, dass auch in Belastungssituationen nicht unwillkürlich Urin abgeht. Tritt dieser Fall doch ein, spricht man übrigens von einer Harninkontinenz.

Während die Funktion des Harnsystems bei Frauen und Männern gleich ist, gibt es beim Harntrakt dagegen deutliche anatomische Unterschiede zwischen den Geschlechtern – und zwar vor allem unterhalb der Blase.

Die Harnröhre der Frau

Die Harnröhre verbindet die Harnblase mit der Außenwelt. Bei Frauen weist sie eine sehr übersichtliche Länge von 3 bis 4 cm auf. Sie mündet im Scheidenvorhof, in unmittelbarer Umgebung zum Darmausgang.

Aufgrund der sehr kurzen Urethra in Kombination mit der Nähe zum After ist das weibliche Geschlecht insgesamt anfälliger für einen unteren Harnwegsinfekt (betrifft Harnröhre und Harnblase) als Männer. Die infektiösen Keime haben quasi leichteres Spiel. So haben sie nicht nur einen viel einfacheren Zugang zur Harnröhrenöffnung; sie müssen auch nur wenige Zentimeter bis zum Blaseneingang zurücklegen.

Problemzone Beckenboden

Hinzu kommt, dass bei Frauen der Beckenboden, der mit zum Verschlussmechanismus der Blase gehört, auch noch vom Geburtskanal (Vagina) durchbrochen wird. Hier besteht also die zusätzliche Gefahr, dass es durch vaginale Geburten oder im Rahmen einer Gebärmuttersenkung zu Schädigungen kommt, die sich wiederum auf den Schließmechanismus der Harnblase auswirken können.

Aber auch die Schwangerschaft selbst kann z.B. Auswirkungen auf die Blase bzw. auf Funktionen der Blasenentleerung haben.

Die Harnröhre beim Mann

Beim Mannist die Harnröhre etwa 20 cm lang und endet an der Penisspitze bzw. an der Eichel. Die Wahrscheinlichkeit, dass Bakterien oder andere Erreger den Weg vom Darm zur Penisspitze finden, ist im Vergleich zum weiblichen Geschlecht eher gering. Sollte es dennoch dazu kommen, müssen sie dann immer noch eine recht lange Wegstrecke zurücklegen, um überhaupt bis zur Harnblase zu gelangen.

Die Anatomie des Mannes ist hier also, zumindest was die Gefahr einer Blasenentzündung angeht, zunächst einmal von Vorteil.

Problemzone Prostata

Anders sieht es jedoch bei den älteren Herren aus. Da sich beim männlichen Geschlecht die Prostata unmittelbar unterhalb der Harnblase befindet, kann es im Rahmen einer gutartigen Prostatavergrößerung (benigne Prostatahyperplasie) zu Blasenentleerungsstörungen kommen. Bei einer vergrößerten Prostata besteht nämlich u. a. die Gefahr, dass der Verschlussmechanismus der Blase nicht mehr einwandfrei funktioniert und sich Restharn in der Blase bildet. Das wiederum begünstigt Harnwegsentzündungen bzw. eine Blasenentzündung beim Mann im höheren Lebensalter.

Harnwegsinfekt: oben oder unten?

Nach diesem Überblick über die Anatomie des Harnsystems und die Verbindung der einzelnen Organe miteinander möchten wir an dieser Stelle nochmal kurz auf den unter Ärzten oft verwendeten Begriff des Harnwegsinfekts zurückkommen.

Wie der Name erahnen lässt, kann die Diagnose Harnwegsinfekt theoretisch eine Entzündung von den Nieren bis hin zur Harnröhre bedeuten – also den gesamten Harntrakt betreffen. Häufig wird der Begriff leichtfertig mit einer Blasenentzündung gleichgesetzt, was jedoch nicht ganz korrekt ist und für Verwirrung sorgen kann. Da es hinsichtlich der Symptome, der Diagnostik und vor allem der Therapie große Unterschiede gibt, macht es durchaus Sinn, die erkrankten Organe genauer auszumachen und somit auch die Art des Harnwegsinfekts exakt zu definieren.

Der untere Harnwegsinfekt

Von dem sehr viel häufigeren unteren Harnwegsinfekt spricht man, wenn die Entzündung die Harnblase oder Harnröhre betrifft. Da beide Organe eng miteinander in Beziehung stehen, ist es allerdings nicht ungewöhnlich, dass eine Blasenentzündung (Zystitis) auch gleichzeitig mit einer Harnröhrenentzündung (Urethritis) einhergeht. Mediziner sprechen dann auch von einer Urethrozystitis.

Der obere Harnwegsinfekt

Zum oberen Harntrakt gehören die Nieren, die Nierenbecken und die Harnleiter. Bei einem oberen Harnwegsinfekt sind meist die Nierenbecken betroffen, was auch als Pyelitis bezeichnet wird. Im Falle einer Pyelonephritis sind auch Nierenmark und Nierenrinde beteiligt. Selten sind bei einer oberen Harnwegsinfektion neben den Nierenbecken auch die Harnleiter beteiligt, noch seltener trifft es diese allein.

Merke:

  • Eine obere Harnwegsinfektion entwickelt sich fast immer aus einer unteren Harnwegsinfektion (Blasenentzündung), wenn Bakterien aus der Harnblase über die Harnleiter bis hin zum Nierenbecken gelangen.
  • Der obere Harnwegsinfekt gilt auch als Komplikation des unteren und muss in der Regel mit Antibiotika therapiert werden.
  • Eine unzureichende Behandlung kann zu bleibenden Schäden an den Nieren führen oder gar weitere lebensgefährdende Folgen wie z.B. eine Blutvergiftung (Urosepsis) mit sich bringen.

Lesen Sie dazu auch: Unser Harnsystem: Funktionsweise der Harnwege.

 

Quelle

  • Manski, D. Urologielehrbuch (2020).
  • Schmelz HU, Sparwasser C, Weidner W. Facharztwissen Urologie (2006). Herausgeber: Springer Berlin, Heidelberg . DOI: https://doi.org/10.1007/3-540-32986-2.
Autor/-in unseres Artikels
Dr. med. Michaela Hilburger
Fachärztin für Urologie / Medikamentöse Tumortherapie
Studium
  • Ludwig-Maximilians-Universität in München
Berufliche Stationen
  • Klinikum Landshut gemeinnützige GmbH, Abteilung Urologie, Landshut
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Medizinische Prüfung des Artikels
Dr. med. Monika Steiner
Medizinisch geprüft von
Ärztin
Studium
  • Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn
Berufliche Stationen
  • Leitung Medizin-Online / Chefredakteurin Springer Nature
  • Medizinische Gutachterin für ärztliche CME-Fortbildung
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Pflichtangaben

PFLICHTANGABEN

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Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke.

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